Paul Graf von Waldersee wurde am 3. September 1831 in Potsdam geboren. Seine Familie, aus Dessau stammend, war 1786 in den preußischen Adelsstand erhoben worden. Ebenso wie seine Vorfahren trat er nach der Schulzeit in die preußische Armee ein. Schon während des Militärdienstes konnte er seine musikalische Begabung unter Beweis stellen. Am 27. August 1869 gab er als Hauptmann im Neuen Palais Berlin ein Konzert, das bei Friedrich III. Wilhelm, dem Kronprinzen, und der Kronprinzessin Victoria von Großbritannien (aus dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha) einen tiefen Eindruck hinterließ.
1871 nahm er als Major seinen Abschied. Wenn man bedenkt, dass die Offizierslaufbahn gerade in dieser Zeit am preußischen Hof »Glanz und Gloria« bedeutete, war dieser Schnitt eine echte Entsagung, zumal die Familiengeschichte dann von ihm keine Notiz mehr nahm. Man blickte vielmehr stolz auf ein anderes Familienmitglied, auf den Vetter Alfred Graf von Waldersee, der als Generalfeldmarschall 1900 ein alliiertes Heereskontingent befehligte und den Boxeraufstand in China niederschlug.
Unter diesen Umständen muss sich der sensible Künstler Paul Graf von Waldersee in der kleinstädtischen Idylle von Königsberg, in die er aus der Großstadt flüchtete, geborgen gefühlt haben. Obwohl in Potsdam geboren, wurde der Graf ein Königsberger.
In seiner etwa zwanzigjährigen Tätigkeit im Hause am Salzmarkt (jetztiges katholisches Pfarramt) beschäftigte er sich musikwissenschaftlich vor allem für den Verlag Breitkopf & Härtel in Leipzig. Waldersee hat sich als ausgezeichneter Kenner und Mitherausgeber der Werke Mozarts große Verdienste erworben. Zu seinen bleibenden Leistungen gehörte auch die Bearbeitung der 2. Auflage des Köchelverzeichnisses und die Herausgabe der Werke Friedrich des Großen. Sein Name hat im Mozarteum Salzburg einen würdigen Platz erhalten.
Auch die Familienchronik wurde ergänzt. Gräfin von Waldersee, geborene von Bülow aus Waterneverstorff (Lütjenburg/Ostholstein), bemühte sich 1955 aus dem Stadtarchiv Königsberg nähere Einzelheiten zu erfahren. Das Bild und Kopien einiger Dokumente konnten zur Verfügung gestellt werden. Die Gräfin schrieb: »Es war für uns ein denkwürdiger Tag, als uns Ihre Unterlagen erreichten«. Der »Musengraf«, der ledig geblieben war, fand damit in der Chronik der Familie von Waldersee eine gebührende Aufnahme.
Paul Graf von Waldersee starb am 14. Juni 1906. Der Stadt vermachte er einen Teil der Musikbücher. Sie übernahm dafür die Pflege seines Grabes. Auf seinem Grabstein steht geschrieben: »Und wenn Du eine Quinte siehst, so sag, ich laß sie grüßen!«
Seit einiger Zeit werden in den ins Leben gerufenen »Graf-Waldersee-Konzerten« im historischen Rathaussaal die in den Musikbüchern überlieferten Werke der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.